Fünf Minuten mit der Bahn und ich bin in der Stadt – hier kann ich alles erledigen, was heute ansteht: Ein Medikament für meine kranke Tochter daheim kaufen, das Katzenfutter im Tierbedarf besorgen und auch das Päckchen mit den zu klein bestellten Kleidern kann ich direkt bei der Post daneben abgeben.
Wenn alles zügig geht, habe ich sogar noch etwas Zeit mich in das Kaffee am Marktplatz zu setzen und den weltbesten Latte Macchiato zu trinken, bevor ich auf einen Sprung in der Arbeit vorbeigehe, um meine heutige Post abzuholen – bearbeiten kann ich sie dann bequem von zuhause aus. So bin ich daheim, wenn mein Sohn mit dem Bus aus der Schule kommt. Ich bin froh: Die Verbindung mit dem öffentlichen Verkehr in das Nachbardorf, wo die Schule ist, gibt es erst seit ein paar Jahren. Davor war es relativ umständlich seine Kinder dort hinzubringen.
Auch Lei Ni aus dem Irrawaddy Delta im ländlichen Myanmar hat eine Tochter und einen Sohn. Auch ihre Tochter ist krank und benötigt dringend Medikamente. Ihr Sohn hat einen Schulweg von ca. 1 Stunde Fußweg durch das derzeit durch den Monsun getränkte Gelände. Nach der Schule wird er noch dem Vater bei der Arbeit helfen: Er betriebt eines der vielen kleinen Handelsboote, die auf dem Fluss unterwegs sind. Was an dem einen Tag erwirtschaftet wird, wird direkt in die tägliche Nahrung der Familie ausgegeben. Lei Ni selber arbeitet nicht: wie die meisten Frauen in der Region hat sie dafür keine Zeit, da der komplette Tag für Haushaltsarbeiten draufgeht. Heute muss diese Arbeit jedoch ruhen: Das Besorgen der Medikamente ist wichtiger, und nur heute hat sie dafür die Gelegenheit, da das Boot der Irrawaddy River Doctors – die einzige Möglichkeit für Bewohner dieser Region an medizinische Versorgung zu kommen – heute in ihrem Ort anlegen wird.
Was für den einen Teil der Welt als Normalität hingenommen wird, ist für viele andere ein unvorstellbarer Luxus: Eine funktionierende Infrastruktur, die es ermöglicht, die lebensnotwendigen Dinge zu bekommen, menschenwürdige Arbeit für beide Geschlechter und Innovationen, die für Gesellschaft und Wirtschaft eines Landes so wichtig sind.
Diese weltweite Diskrepanz hat auch die UN bei der Festlegung der 17 Nachhaltigkeitsziele in der Agenda 2030 festgestellt und daher das Ziel 8 – menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum – und Ziel 9 – Industrie, Innovation und Infrastruktur festgelegt. Dabei steht die Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums im Forderung um eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu setzen, die allen Menschen zugutekommt, Ungleichheiten verringert und Umweltschäden vermeidet.
Sieht man sich dazu die Zahlen von 2022 an, wird schnell ersichtlich, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist. So waren zum Beispiel in dem vergangenen Jahr rund 205 Millionen Menschen arbeitslos, rund 28 Millionen Menschen verrichteten Zwangsarbeit. In wenig entwickelten Ländern benutzen nur rund 36 % der Bevölkerung das Internet; weltweit sind es 66 %!
Durch unsere Irrawaddy River Doctors erschaffen wir den Bewohnern in dem Delta ein Bisschen mehr Infrastruktur und Zugang zu wichtigen Versorgungseinheiten. Aber nicht nur in Myanmar tragen wir einen Beitrag zum Erreichen der SDG 8 und 9 bei: In Tansania versuchen wir zum Beispiel durch gezielte Stipendien und Initiativen die Erwerbstätigkeit der Frauen zu erhöhen.