Mit einer bunten Liste an Fragestellungen, die die Artemed Stiftung den beiden Pharmazeuten mit auf den Weg gegeben hatte, brachen Ende Juli Dr. Sabine Werner und Dr. Andreas Ziegler nach Tansania auf. In Nyangao wurden sie vom Team der Krankenhausapotheke herzlich empfangen. Für Sabine Werner ein besonderer Moment, da sie 2005 bereits ein ganzes Jahr in der Apotheke des St. Walburg’s Krankenhauses tätig war und noch zwei Teammitglieder persönlich kannte.
Zunächst galt es, den Arbeitsalltag in der Apotheke kennenzulernen. Die meisten Patienten des St. Walburg’s Hospital werden ambulant behandelt und anschließend direkt von der Krankenhausapotheke mit den nötigen Medikamenten versorgt. Dann bilden sich lange Schlangen vor dem „Ausgabefenster“, an dem die Abgabe erfolgt. Oft werden nicht die ganzen Packungen abgegeben, sondern nur die Tablettenzahl, die der Patient benötigt. Da er dann auch keinen Beipackzettel erhält, ist einiges an Beratung und Information nötig.
Nur die wenigsten Patienten haben eine Krankenversicherung – Behandlung und Medikamente müssen sie daher selbst bezahlen. Da der ländliche Süden Tansanias von Armut geprägt ist, können sich viele Menschen die Behandlung im Krankenhaus nicht leisten. Umso wichtiger ist es, dass ihnen auf Antrag – direkt vor Ort nach Prüfung ihrer Situation – die Behandlungskosten erlassen werden können. Kinder bis zum Alter von fünf Jahren und Schwangere werden generell kostenlos behandelt. Für die Menschen ein Segen – für das Krankenhaus, das diese Kosten trägt, jedoch eine große finanzielle Herausforderung!
So waren auch die Finanzen der Krankenhausapotheke eins der Themen, die die beiden Pharmazeuten aus Deutschland mit der Apothekenleitung und der Krankenhausverwaltung diskutierten. Gemeinsam wurde der durchschnittliche Monatsbedarf für den Einkauf von Arzneimitteln und Medizinprodukten ermittelt, der die Grundlage für eine bessere Planbarkeit der finanziellen Bedarfe sowie der benötigten Einkäufe ist.
In diesem Zuge war auch die Lagerverwaltung Gegenstand des Austausches zwischen der tansanischen Apothekerin Margreth Kilinga, der für das zentrale Arzneimittellager zuständigen PTA sowie Sabine Werner und Andreas Ziegler. Im Vergleich zu deutschen Apotheken, die mehrmals täglich beliefert werden, steht das Krankenhaus vor der großen Herausforderung, dass Bestellungen beim staatlichen Großhandel erst nach etwa drei Wochen eintreffen, und dann auch noch oft bis zu 40 Prozent der bestellten Arzneimittel nicht lieferbar sind. Ein wichtiges Thema ist daher die Abschätzung, wie lange die vorhandenen Bestände eines Arzneimittels noch ausreichen bzw. welche Menge bestellt werden muss, um zu vermeiden, dass die Ärzte tage- oder wochenlang ohne sie auskommen müssen, weil zu spät oder zu wenig nachbestellt wurde.
Trivial ist das nicht: So schwankt der Verbrauch aus unterschiedlichen Gründen stark. Während der Regenzeit steigt beispielsweise die Zahl der Malaria-Infektionen. Bevor die Ernte eingebracht und verkauft wird, haben viele Bauern kein Geld für Behandlungen – nach der Erntezeit steigen daher die Patientenzahlen im Krankenhaus und damit der Arzneimittelverbrauch sprunghaft an. Eine weitere Herausforderung stellt die vor drei Jahren eingeführte Software zur Lagerverwaltung dar: Verlässliche Zahlen zum Verbrauch, auf deren Grundlage die Arzneimittelbestellung sinnvoll geplant werden kann, sind dem System schwer zu entnehmen. Gemeinsam identifizierten die deutschen und tansanischen Pharmazeuten eine Vielzahl von Ursachen, die nun gemeinsam mit dem Software Entwickler angegangen werden sollen.
Ein weiteres Thema auf der ToDo-Liste waren die geplanten neuen Räumlichkeiten der Apotheke im Neubau des Krankenhauses. Vor Ort analysierten die deutschen Apotheker den zukünftigen Raumbedarf, besprachen mit den Verantwortlichen in Tansania den aktuell vorliegenden Masterplan, und führten nach ihrer Rückkehr nach Deutschland bereits ein erstes Feedbackgespräch mit dem deutschen Architekten.
Besonders beeindruckend war die Fahrt nach Chikundi im Rahmen des Community Health Projects. Ziel dieses Besuchs war es einerseits, den Frauen in dem abgelegenen Dorf ein Screening auf Gebärmutterhalskrebs sowie Brustkrebs anzubieten. Gleichzeitig wurden sie in verschiedenen Themen geschult, die von Hygienemaßnahmen über die Vermeidung von Mangelernährung bei Kindern bis zu Hilfsangeboten bei häuslicher Gewalt reichten.
In Erinnerung bleiben nicht nur die regen fachlichen Diskussionen, sondern vor allem auch die Herzlichkeit der Menschen in Nyangao, der farbenfrohe Markt, der fröhliche Gesang in den Gottesdiensten, die neugierigen, oft schon von Weitem grüßenden Kinder und all die lieben Menschen rund ums Krankenhaus, die den Einsatz – auch wenn es viel um die Pharmazie ging – zu einem Aufenthalt gemacht haben, der stark von zwischenmenschlichen Begegnungen geprägt war.