Es gibt nicht vieles worum wir derzeit die Burmesen beneiden könnten – um eine Sache aber vielleicht schon: die Sonnenstunden! Denn anstelle von mickrigen 4,5 Stunden pro Tag, scheint die Sonne in Myanmar täglich fast 9 Stunden. Also doppelt so lange wie in Deutschland. Das sind fast 3280 Stunden im Jahr.
Nun, warum darum beneiden? Tatsächlich ist es so, dass durch den Sonnenschein in unserem Körper das wichtige Vitamin D gebildet wird, welches unter anderem vorbeugend z. B. bei Diabetes wirkt. Durch die Ausschüttung des Glückshormones Serotonin, sorgt er außerdem für eine bessere Stimmung. Aber nicht nur unser Körper kann von der Sonne profitieren. Schon Anfang des 19. Jhd. wurde bekannt, dass die Energie der Sonne auch zur Stromgewinnung verwendet werden kann. Nach vielen Entwicklungsschritten hin zu operationell einsetzbaren Lösungen, ist die Sonnenenergie seit Ende des 20. Jhd. in der westlichen Welt ein wichtiger Bestandteil des Energiemixes geworden. Vor allem in der Diskussion über erneuerbaren Energien gab es in Deutschland in den letzten 10 Jahren einen starken Anstieg von knapp 20 GW erzeugte Solarenergie auf über 53 GW pro Jahr. Da liegt es natürlich auf der Hand, dass man dieses so viel größere Potential in Myanmar auch nutzt. Gleich mehrere Ziele können damit verfolgt werden: Eine Reduzierung der hohen Dieselkosten, eine Verbesserung der Luftqualität durch das Ersetzen der Dieselgeneratoren und ein Beitrag zur globalen Eindämmung der Kohlenstoffemissionen.
Es war daher schon seit einigen Jahren ein großes Ziel, unsere fahrende Klinik ‚Polli‘ der Irrawaddy River Doctors in Myanmar mit Solarpanels auszustatten. Leider erwies sich dieses Ziel zunächst als kaum umsetzbar: Die auf das Dach der ‚Polli‘ anzubringenden Panels wären zu schwer gewesen und die Sicherheit des Schiffes nicht mehr gewährleistet. Zum einen hätte das Gewicht die Traglast des Daches überschritten und ein Zusammenbrechen wäre möglich gewesen. Zum anderen hätte sich der Schwerpunkt des Schiffes stark verändert, sodass ein Kippen und Sinken nicht ausgeschlossen werden konnte. Dank der unerschütterlichen Hoffnung und dem Einsatz unseres ehrenamtlichen Mitarbeiters für Technik Henrik Rausch, wurde das Unmögliche aber plötzlich doch möglich: Panels, die deutlich leichter sind als die herkömmlichen, konnten ausfindig gemacht werden. Und darüber hinaus noch mehr: Durch intensive Zusammenarbeit während seines Aufenthaltes in 2020 im Delta, wurde gemeinsam mit einem burmesischen Techniker, dem Kapitän und Statiker des Schiffes eine Konstruktion entworfen, die das Schiffsdach teilweise sogar durch den Unterbau der Kollektoren ersetzt. So wurde nicht nur das Problem der Belastbarkeit und des Schwerpunktes gelöst, sondern gleichzeitig sogar das Gesamtgewicht des Schiffes reduziert, was sich natürlich positiv beim Spritverbrauch bemerkbar macht.
Mit dieser innovativen Lösung schien der Umsetzung des Projektes Ende 2020 zunächst nichts mehr im Wege zu stehen. 36 Panels wurden produziert, verpackt und auf den Weg Richtung Myanmar geschickt. Dann kam der Februar 2021 und das Land wurde politisch komplett umgekrempelt. Mit dem am 01.02.2021 beginnenden Militärputsch wurden zunächst alle Aktivitäten eingefroren. So lagen auch unsere Pakete monatelang beim Zoll unter Verschluss.
Aber auch hier hat sich der lange Atem gelohnt: Vor einigen Wochen konnten die Pakete von dem Team der Artemed Stiftung vor Ort unversehrt abgeholt werden. Fast ein Wunder, wenn man bedenkt, was für ein Wert sich in den Boxen befand. Dass wir selber nicht Hand anlegen und die neue Stromversorgung in Gang setzen können, hatten wir natürlich aufgrund der immer noch sehr angespannten Situation im Land bereits befürchtet. Hier zahlte sich nun die intensive Zusammenarbeit von Henrik mit dem Techniker 2020 aus, der nun die Umsetzung vor Ort alleine koordinieren konnte. Die Bilder aus dem Irrawaddy Delta, die uns in der vergangenen Woche erreichten, und die Anbringung der Kollektoren auf der ‚Polli‘, haben uns daher nicht nur sehr gefreut, sondern auch ein wenig mit Stolz erfüllt.
Es ist wunderbar zu sehen, dass nun klimaneutrale und günstige Energie für die schwimmende Klinik zur Verfügung steht. Das eingesparte Geld kann an anderer Stelle so viel sinnvoller eingesetzt werden. Es ist außerdem toll zu wissen, dass im Rahmen dieses Projektes ein Techniker vor Ort ausgebildet werden konnte, der einen nachhaltigen Betrieb der Stromversorgung gewährleisten kann.