25. Juli 2022

Interview mit Titania Eberle

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Dr. Titania Eberle (3. von rechts) ist Gynäkologin und war erstmalig mit der Artemed Stiftung bei einem humanitären Einsatz im Ausland dabei. Im Interview schildert sie uns eindrücklich ihre persönlichen Erlebnisse im St. Walburg’s Hospital in Nyangao. 

Artemed Stiftung: Einen schönen guten Tag Frau Eberle. Ihr Besuch in Tansania im vergangenen Jahr, war für Sie das erste Mal, dass Sie auf einem humanitären Einsatz im Ausland waren. Wieso haben Sie sich dafür entschieden und warum für die Artemed Stiftung?

Eberle: Ich habe mich schon länger dafür interessiert, ehrenamtlich mit meiner Expertise bedürftigen Menschen zu helfen. Daher habe ich unter anderem in der Vergangenheit Asylsprechstunden angeboten. Eigentlich hatte ich mich dann bereits für einen Einsatz in Sierra Leone bei einer anderen Organisation beworben, jedoch wurde dieser dann aufgrund von Korruptionsvorfällen in dem Land kurzfristig abgesagt. Da ich nun aber schon alles für eine Abwesenheit zuhause geplant hatte, wollte ich unbedingt diesen Zeitraum auch nutzen. So habe ich mich umgesehen und zum Glück sehr schnell die Möglichkeit bekommen, mit der Artemed Stiftung im St. Walburg’s Hospital zu helfen.

Artemed Stiftung: Das heißt, Sie hatten nur kurz Zeit sich auf Ihren Aufenthalt dort vorzubereiten?

Eberle: Ja, leider. Gerne hätte ich mich im Vorfeld noch viel besser über Land und Leute und auch das Krankenhaus informiert. Ich hatte aber großes Glück, dass Frau Dr. Solveig Groß mit mir gemeinsam nach Tansania gereist ist; sie war bereits in der Vergangenheit in der Klinik gewesen, kennt die Leute vor Ort und hat unglaublich viel Erfahrung.

Artemed Stiftung:  Was war für Sie zu Beginn das größte Problem?

Eberle: Obwohl ich wirklich sehr herzlich empfangen wurde, habe ich mich anfangs tatsächlich nur wenig getraut, in den Alltag dort aktiv einzugreifen und mitzuhelfen. Hier war ich dankbar über die Anwesenheit von Frau Dr. Groß, die mir gleich gezeigt hat, wie man mit den tansanischen Kollegen am besten umgeht. Sie kannte viele der Ärzte und Pfleger bereits aus der Vergangenheit und es war deutlich spürbar, dass hier großes gegenseitiges Vertrauen besteht. Ein weiteres Problem für mich war vor allen Dingen die Sprache: Mit Englisch allein kommt man bei der ländlichen Bevölkerung dort nicht weit. Dazu braucht man die tatkräftige Unterstützung von englischsprachigem Personal vor Ort, das dann sehr oft übersetzt hat; gemeinsam ging es dann gut. Um mit den Patienten selbst gut zu kommunizieren sind Sprachkenntnisse in Kisuaheli unabdingbar – ich habe mich dann nur mit Händen und Füßen verständigen können.

Artemed Stiftung: Während Ihres Aufenthaltes waren Sie in erster Linie im Bereich der Geburtshilfe tätig. Sicherlich haben Sie hier viel erlebt und gesehen. Auch einiges, dass sich von Ihrem Alltag in Deutschland vermutlich stark unterscheidet.

Eberle: Natürlich muss man sich zunächst an die Bedingungen im Kreissaal, während Geburten und Kaiserschnitten gewöhnen. Insbesondere die hygienische Situation unterscheidet sich doch sehr stark von der in deutschen Krankenhäusern und man kann mit Sicherheit hier vieles noch verbessern. Aufgefallen ist mir auch, dass das Personal sehr unterschiedlich gut ausgebildet ist: es gibt Ärzte, Hebammen und Pfleger mit einem sehr guten Kenntnisstand; bei anderen hingegen musste ich doch große Defizite feststellen.

Artemed Stiftung: Gab es eine Situation, die für Sie besonders bewegend war?

Eberle: An einem Tag wurde von Frau Dr. Groß ein Frühchen durch einen Kaiserschnitt geholt. Das Baby wog nur 1700 g. Ich habe es nur zufällig mitbekommen und war sehr betroffen, dass es so wenig Möglichkeiten gab, dem Kind zu helfen. Der kleine Junge wurde nur etwas abgerubbelt und anschließend in ein Bettchen gelegt, in dem er dann alleine lag. Es gibt im St. Walburg`s Hospital keinen Kinderarzt, der sich um ihn hätte kümmern können. Zum Glück konnte er bereits bei der Geburt alleine atmen, denn eine Reanimationseinheit war ebenfalls nicht vorhanden. Dieses Bild, von dem winzigen Wesen in dem Bettchen hat sich stark bei mir eingeprägt.

Leider gibt es in Tansania wie ich erfahren habe einen ganz großen Mangel an Kinderärzten und die wenigen, die es gibt, kann sich das Krankenhaus nicht leisten. Die Lösung kann also nicht lauten, dass das Krankenhaus jemanden dafür anstellen sollte. Vielmehr wurden nun in der Folge Pläne entwickelt, wer aus dem bestehenden Ärzteteam des Krankenhauses eine solche Zusatzqualifikation erlangen könnte. Ein geeigneter Kandidat ist mittlerweile auch gefunden und seine Ausbildung wird von der Artemed Stiftung mit unterstützt.

Artemed Stiftung: Demnach haben Sie auf der einen Seite einige negative Situationen miterlebt und konnten auf der anderen Seite aber auch zu Positivem beigetragen. Was nehmen Sie persönlich aus diesem Aufenthalt mit?

Eberele: Zunächst einmal hat es mir aufgezeigt wie gut es uns eigentlich daheim geht. Schon alleine der Umstand, dass man vor jeder Behandlung zunächst selber die Medikamente in einer Apotheke besorgen (und bezahlen) muss, ist für uns in Deutschland doch unvorstellbar. Hat man kein Geld oder ist das benötigte Präparat nicht vorrätig, gibt es auch keine Behandlung.

Für mich persönlich war es natürlich eine unglaubliche Bereicherung, die mich auch beruflich weitergebracht hat. Es ist ein gegenseitiges Profitieren, ich habe auch einiges dort gelernt an Diagnostik und Therapien ohne die Möglichkeiten, die wir hier bei uns haben. Das ist sehr wertvoll, auch für mich. Außerdem habe ich gelernt selbstbewusster mein Können zu vertreten, und dass man mit dem nötigen Know-How auch ohne high-end Ausstattung zum Ziel kommen kann.

Artemed Stiftung: Nun noch eine letzte Frage an Sie: Was wäre Ihre Empfehlung, wie man das Krankenhaus in der Zukunft am effektivsten unterstützt?

Eberle: Ich habe nun natürlich vor allem im Bereich der Geburtshilfe und Kinderpflege einen Eindruck bekommen. Hier sehe ich großes Potenzial nach dem Vorbild der Gynäkologie durch ausländische Einsätze das Versorgungsniveau deutlich zu verbessern. Sprich ein guter Kinderarzt oder eine gute Kinderärztin aus Deutschland, die das Personal vor Ort ausbildet und durch wiederholte Einsätze sicherstellt, dass das vermittelte Wissen auch angewandt wird.

Artemed Stiftung: Liebe Frau Eberle wir danken Ihnen, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben, und natürlich für Ihren Einsatz in Tansania und den wertvollen Output, denn Sie mitgebracht haben.

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