19. November 2021

Gesundheit und Klimawandel

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von Dr. Inga Beck

„Code red for a healthy future“,* so lautet der Titel des Lancet „Countdown on Climate Change and Health 2021“, der zeigt, wie eng verknüpft Klimawandel und Gesundheit sind, und dass unsere Kinder besonders stark davon betroffen sein werden. Bis zu sechs Mal mehr klimabedingte Naturkatastrophen und eine deutlich erhöhte gesundheitliche Belastung durch Umweltfaktoren werden zukünftige Generationen in ihrem Leben aushalten müssen.

Der Lancet Countdown beschäftigt sich mit der Analyse der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und veröffentlicht jährlich die neuesten Erkenntnisse von unabhängigen Wissenschaftlern aus 43 akademischen Einrichtungen und UN-Agenturen. Die aktuellste Ausgabe ist von Oktober 2021, in der insbesondere auf die regionale Ungleichheit der ‚Gesundheitskrise‘ hingewiesen wird. Dabei wird vor allen Dingen auf die Problematiken aufmerksam gemacht, die ein heute geborenes Kind aufgrund von Naturkatastrophen im Vergleich zu einem Erwachsenen im Laufe seines Lebens zu erwarten hat. Demnach wird es durchschnittlich zwei Mal so viele Waldbrände, drei Mal so viele Überschwemmungen und sieben Mal so viele Hitzewellen erleben. Die ärmsten Länder werden davon überdurchschnittlich betroffen sein. Besonders stark werden die Veränderungen für Kinder im Nahen Osten und in Afrika prognostiziert. Laut einer Veröffentlichung der Fachzeitschrift ‚Science‘, werden zwischen 2016 und 2020 südlich der Sahara geborene Kinder fünfeinhalb bis sechs Mal mehr Extremwetter erleben, als vor 1960 geborene Personen. Das Eintreten von Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren bedeutet für die betroffenen Menschen nicht nur eine temporäre Katastrophe und den Verlust von materiellen Dingen, sondern ist meist mit langjährigen Folgen wie Wassermangel, Ernteausfällen und Hungersnöten verbunden. Insbesondere bei Kindern führt das Miterleben von derartigen Ereignissen häufig zu starken psychischen Belastungen und erhöht lebenslang das Risiko für Angststörungen und Depressionen.

Aber nicht nur durch Naturkatastrophen werden die kommenden Generationen stärker betroffen sein, als derzeit über 40 Jährige: Die klimabedingt Zunahme von Infektionskrankheiten durch das Ausbreiten hitzeresistenter Vektoren, die Verlängerung der Vegetationsperiode verschiedener Allergien auslösender Pflanzenarten und die fortschreitende Luftverschmutzung beeinflussen die Gesundheit in der Zukunft. Im Laufe eines Lebens akkumulieren sich diese negativen Einflüsse. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht dabei von der „Krankheitslast“ eines Menschenlebens und definiert die ‚environmental burden of disease‘ (umweltbedingt Krankheitslast) als die „Krankheitslast, die durch den Einfluss von  umweltbedingten Risikofaktoren auf die menschliche Gesundheit entsteht“. Diese wird für die zukünftigen Generationen 88 % ausmachen. Sie beginnt bereits vor der Geburt. „Luftverschmutzung hat schon im Bauch der Mutter Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder“, so Sylvia Hartmann, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit KLUG.

Diese Veränderungen werden zwar global zu spüren sein, gravierende Auswirkungen sind aber in Ländern mit einem niedrigen bis mittleren UN-Entwicklungsindex HDI (Human Development Index) zu erwarten. Bereits heute zeigen Studien, dass diese Länder in den letzten 30 Jahren die stärkste Vulnerabilität gegenüber Hitzeereignissen aufweisen. Hier fehlt es schlicht an den finanziellen Möglichkeiten und häufig auch an dem Knowhow nachhaltige Präventionen und Strategien einzuleiten und umzusetzen.

Dennoch ist es nicht zu spät: Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gibt Mut, und stellt in Aussicht, dass wir „einen Großteil der Klimabelastung von den Schultern unserer Kinder nehmen, wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen“.

Auch werden sich Medizin und Technik weiterentwickeln, sodass einige Folgen vermutlich abgemildert werden können. Dennoch ist es enorm wichtig, dass wir uns HEUTE um eine Welt bemühen, die unseren Kindern später ein gesundes und sicheres Leben ermöglicht. Daher versuchen wir von der Artemed Stiftung mit unseren Projekten in drei der am meisten betroffenen Ländern (Tansania, Myanmar und Bolivien) zu helfen. Somit soll sichergestellt werden wichtige Maßnahmen zu ergreifen und ein stabiles Gesundheitswesen zu etablieren, das möglichen Folgen besser gewachsen ist.

Es bedarf aber gar keiner großen Projekte: Jeder und Jede kann etwas gegen den Klimawandel tun. „Wir unterschätzen uns“, so Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann in einem Interview mit der Augsburger Allgemeine. „Das Spannende daran ist, dass die größte Macht darin liege, einfach weniger zu tun. Ein T-Shirt weniger kaufen, eine Flugreise weniger buchen, ein Steak weniger essen oder statt mit dem Auto mit dem Rad fahren. Das alles wirke sich bereits positiv auf den Klimawandel und auf die persönliche Gesundheit aus. Verzicht sei das Gebot der Stunde.“

*Höchste Alarmstufe für eine gesunde Zukunft

 

Quellen:

Marina Romanello,  Alice McGushin, Claudia Di Napoli, Paul Drummond, Nick Hughes, Louis Jamart, Met al. 2021 : The 2021 report of the Lancet Countdown on health and climate change: code red for a healthy future, Volume 398, ISSUE 10311, P1619-1662

Wim Thiery et al. 2021: Intergenerational inequities in exposure to climate extremes. In. Sience: Vol 374, Issue 6564, pp. 158-160, DOI: 10.1126/science.abi7339

 

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